VGN Talking Point

Kathrin Gulnerits über Freiheit, den Kommunikationsstil der Regierung und was jetzt wichtig ist.


Die Welt hält den Atem an. Denn das neue Coronavirus hat alle Lebensbereiche erfasst. Die Wirtschaft sieht sich mit enormen Herausforderungen konfrontiert. Jedes Unternehmen ist gefordert, seine Struktur, seine Arbeitsweisen, Prioritäten, aber auch seine Budgets neu zu denken. Bei den allmählichen Lockerungen der strengen Maßnahmen müssen wir weiterhin mit besonderen Schutzvorkehrungen und sozialen Einschnitten zurande kommen.

Die Meinungen unserer ChefredakteurInnen zu aktuellen Themen sind spannend. Heute Kathrin Gulnerits von News zu unseren Fragen.

Wie bewertest du die aktuelle COVID-19-Lage in Österreich und die Vorgangsweise der Regierung? Was ist jetzt wichtig, und was braucht noch Lösungen?


Die Erleichterung angesichts der sinkenden Infektionskurve in Österreich ist natürlich groß. Insofern hat die Regierung – mehr oder weniger – fast alles richtig gemacht. Der Dank gilt zu Recht den „Österreicherinnen und Österreichern“. Ich als Deutsche fühle mich da nur bedingt angesprochen. Aber vielleicht haben sich die 1,5 Millionen NichtstaatsbürgerInnen im Land auch nicht so angestrengt. Eine merkwürdige Diskussion, ich weiß. Vielleicht bin ich da ein bisschen dünnhäutig. Vielleicht bin ich auch einen anderen Kommunikationsstil gewohnt.

Nur ein Beispiel: Ich kann schon ganz gut selbst entscheiden, wo und wie ich meinen Sommerurlaub verbringe. Reiseempfehlungen der Bundesregierung brauche ich dafür tendenziell nicht. Bevormundungen auch nicht. Und ich brauche auch keine aufgehübschten Begriffe, um mit meiner neuen Lebensrealität besser klarzukommen. Was bitte soll das heißen – „eingeschränkte Freiheit“ oder „neue Normalität“? Entweder ich bin frei – oder ich bin es nicht. Mit einem hübsch verpackten Mittelding von Freiheit kann ich jedenfalls nichts anfangen. Aber das mag auch einmal mehr an meiner Herkunft liegen.

Für meinen Geschmack könnte man hierzulande ruhig mit weniger Dramatik und weniger Inszenierung kommunizieren. Die Lage ist ernst, das weiß jeder. Dazu braucht es keinen Auftritt mit Mundschutz hinter Plexiglasverbauen in täglichen Pressekonferenzen. Aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Was jetzt wichtig ist? Die Leute bei Laune zu halten. Nicht nur an ihre Eigenverantwortung zu appellieren, sondern ihnen diese auch zuzutrauen – ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Wie gesagt, die Lage ist ernst. Das hat so ziemlich jeder mitbekommen. Ernst ist aber auch die wirtschaftliche Situation. Und um die mache ich mir wirklich Sorgen. Ganz ohne Einschränkungen.

Kathrin Gulnerits
Chefredakteurin News
gulnerits.kathrin <AT> news.at
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